Überblick
Seezungen, im Sizilianischen „linguate“ oder „linguati“ genannt (ein Hinweis auf ihre längliche, zungenartige Form), sind Plattfische aus der Familie der Soleidae. Sie zeichnen sich durch einen ovalen, seitlich vollständig abgeflachten Körper aus, mit beiden Augen auf derselben Seite (bei echten Seezungen rechts), einer braun-grauen Tarnfärbung auf der Augenseite und einer weißen Unterseite, die auf dem Meeresboden aufliegt. Sie erreichen Größen zwischen 20 und 50 cm und leben auf den sandigen Böden des Mittelmeers, wo sie perfekt getarnt halb im Sand eingegraben sind. In der sizilianischen Küche gelten Seezungen als hochwertiger, feiner Fisch, der besonderen Anlässen vorbehalten ist. Ihr Fleisch ist weiß, mager, zart, leicht süßlich und besitzt eine feste, doch weiche Konsistenz. Traditionelle Zubereitungen sind „alla mugnaia“ (mehliert und in Butter gebraten), im Ofen, frittiert oder gekocht.
Der Fang der Seezungen in sizilianischen Gewässern erfolgt mit Schleppnetzen, Stellnetzen und Grund- oder Langleinen. Frisch gefangene Seezungen haben ein sehr festes Fleisch und einen äußerst feinen Meeresduft. Die Zubereitung erfordert Können: Die Reinigung (Häuten) ist etwas aufwendig, liefert aber perfekte, grätenfreie weiße Filets. Die Unterscheidung zwischen echter Seezunge (Solea solea oder Solea vulgaris), türkischer Seezunge, unterschiedlichen Linguattola-Arten und anderen Plattfischen wie Steinbutt ist entscheidend für Qualität und Preis. Echte Seezungen sind die hochwertigsten und teuersten. Für viele Sizilianer, die feinen Fisch lieben, sind Seezungen mit Erinnerungen verbunden: die Zartheit, die sich auf der Zunge auflöst, der reine Geschmack ohne dominante Noten, die Eleganz eines perfekt goldbraunen Filets. Seezungen stehen für gehobene Meeresküche, eine Feier feinster Aromen und meisterhafter Einfachheit.
Eigenschaften
Seezungen besitzen einen ovalen, länglichen und vollständig flachen Körper, dessen Form an eine Zunge oder eine Schuhsohle erinnert – daher der Name. Beide Augen befinden sich (bei der echten Seezunge) auf der rechten Seite. Die Augenseite ist braun-grau mit möglichen Flecken oder Streifen zur Tarnung, die Unterseite ist strahlend weiß. Übliche Größen liegen zwischen 25 und 35 cm bei einem Gewicht von 150 bis 400 g. Große Exemplare erreichen 50 cm und 1 kg.
Ihr Fleisch ist weiß, sehr mager (1–2 % Fett), äußerst zart, süßlich und fein, mit fester, aber leicht zerfallender Konsistenz. Sie haben nur wenige Gräten: eine flache Mittelgräte und kleine Seitenknochen, die sich beim Filetieren leicht entfernen lassen. Der Duft muss dezent nach Meer riechen, niemals intensiv.
Frische Seezungen erkennt man an festem Körper, intakter Haut mit lebendigen Farben und sehr feinem Geruch. Bei älteren Fischen ist der Körper schlaff, der Geruch kräftig und die Haut stumpf oder löst sich leicht ab.
Echte Seezunge vs. andere Plattfische
Verschiedene Plattfische kommen in den Handel – mit unterschiedlichen Qualitäten und Preisen:
Echte Seezunge (Solea solea/vulgaris): Oval-länglicher Körper, nahe beieinanderliegende Augen auf der rechten Seite, an der Basis der Brustflosse der Augenseite oft ein schwarzer Fleck (nicht immer sichtbar, aber typisch), kleiner Mund. Höchstwertiges Fleisch und zarter Geschmack. Teuerste Variante (25–50 €/kg oder mehr).
Türkische Seezunge oder Linguattola (Solea lascaris u. a.): Ähnlich der echten Seezunge, etwas weniger hochwertig, gutes Fleisch, günstiger (15–30 €/kg). Wird oft einfach als „Seezunge“ verkauft.
Steinbutt (Psetta maxima): Rundlicherer Körper, Augen auf der linken Seite, rauere Haut mit kleinen Höckern, größere Dimensionen. Fleisch hervorragend, möglicherweise noch hochwertiger als Seezunge, mit festerer Textur. Sehr teuer.
Goldbutt/Scholle (Pleuronectes platessa): Rundlicher Körper, Augen rechts, typische orangefarbene Flecken. Gutes Fleisch, aber weniger hochwertig als Seezunge und Steinbutt. Günstiger.
Flunder (verschiedene Arten): Unterschiedliche Plattfische, weniger hochwertig, wässriges Fleisch, weniger aromatisch. Preisgünstig.
In Sizilien bezeichnet „linguata“ oft allgemein Plattfische, nicht zwingend die echte Seezunge. Die Artbestimmung ist wichtig für Qualität und Preis.
Fang und Saison
Seezungen leben auf sandigen oder schlammigen Böden in Tiefen von wenigen Metern bis 200 Metern. Tagsüber liegen sie halb eingegraben und perfekt getarnt im Sand; nachts werden sie aktiv und ernähren sich von Würmern, Muscheln, kleinen Krebstieren und Fischen. Ihre Tarnfähigkeit ist außergewöhnlich – sie können Muster und Färbung an den Untergrund anpassen.
Gefangen werden sie vor allem mit Grundschleppnetzen (am verbreitetsten, jedoch mit Umweltauswirkungen), Stellnetzen und Grundlangleinen. Der Fang verlangt Wissen über Bodenstrukturen und Verhalten der Seezunge.
Seezungen sind das ganze Jahr über erhältlich, mit besten Fangzeiten im Frühjahr (März–Mai) und Herbst (September–November). In diesen Perioden ist das Fleisch besonders fest und aromatisch.
Reinigung und Vorbereitung
Die Zubereitung von Seezungen erfordert spezielle Schritte:
Komplette Methode (Häuten und Filetieren):
1. Den Fisch unter kaltem Wasser abspülen.
2. Häuten: An der Schwanzbasis auf der dunklen Seite einen kleinen Schnitt setzen, die Haut anheben und Richtung Kopf abziehen (sie löst sich wie ein Handschuh). Auf der weißen Seite wiederholen.
3. Kopf, Flossen und Innereien entfernen, indem man hinter dem Kopf und entlang des Bauches schneidet.
4. Filetieren: Entlang der Mittelgräte einschneiden und die Filets ablösen (je zwei pro Seite, insgesamt vier), indem man das Messer zwischen Fleisch und Knochen führt.
5. Filets vorsichtig abspülen.
Einfache Methode (ohne Häuten):
Manche bereiten Seezungen im Ganzen ohne Häuten zu, lediglich ausgenommen. Die Haut schützt das zarte Fleisch während des Garens und wird erst beim Servieren entfernt. Einfacher, jedoch weniger elegant.
Viele lassen die Seezungen beim Fischhändler bereits reinigen und filetieren, um Arbeit zu sparen.
Verwendung in der Küche
Seezunge „alla mugnaia“
Eine klassische französische Zubereitung, die in Italien sehr geschätzt wird. Ganze Seezungen oder Filets werden leicht mehliert, in Butter (oder Öl) goldbraun gebraten und mit Zitronensaft, Petersilie und etwas geschmolzener Butter (oder Öl) serviert. Eine schlichte Zubereitung, die die Feinheit des Fisches hervorhebt. Sofort servieren.
Seezunge aus dem Ofen
Ganze Fische oder Filets werden im Ofen mit Öl, Zitrone, Weißwein und Kräutern gegart. Die schonende Zubereitung bewahrt Zartheit und Saftigkeit.
Frittierte Seezunge
Filets, mehliert oder in Teig getaucht, werden in heißem Öl ausgebacken. Das Ergebnis ist knusprig und goldbraun. Weniger üblich bei so hochwertigem Fisch, aber sehr schmackhaft.
Gekochte Seezunge
Ganze Seezungen werden vorsichtig in einem aromatisierten Gemüsefond mit Wein gegart und mit Saucen wie Mayonnaise, grüner Sauce oder Sauce Tartar serviert. Eine elegante Zubereitung für festliche Anlässe.
Gratinierte Seezungenfilets
Filets in einer Auflaufform, mit Semmelbröseln, Parmesankäse, Kräutern und Öl bedeckt und im Ofen überbacken. Goldene Kruste, innen zart.
Seezungenröllchen
Filets werden mit einer Füllung (gehackte Garnelen, Ricotta, Spinat, Pilze je nach Rezept) bestrichen, aufgerollt und im Ofen oder in der Pfanne gegart. Eine raffinierte und elegante Zubereitung.
Perfekt gegarte Seezunge
Seezungen müssen schonend und kurz gegart werden, um ihre Zartheit zu bewahren:
Pfanne (alla mugnaia): 3–4 Minuten pro Seite bei mittlerer Hitze in Butter oder Öl. Das Mehl schützt und fördert die Bräunung.
Ofen: 10–15 Minuten bei 180–200°C mit Gewürzen.
Kochen: 8–10 Minuten in leise köchelndem Court-Bouillon (nicht sprudelnd).
Frittieren: 2–3 Minuten bei 180°C für dünne Filets.
Perfekt gegartes Fleisch ist weiß, opak und fällt leicht auseinander, ohne zu zerfallen. Übergarung macht es trocken und zäh.
Aufbewahrung
Frische Seezungen sollten im kältesten Fach des Kühlschranks auf Eis gelagert und innerhalb von 1–2 Tagen verzehrt werden.
Gekochte Seezungen halten sich 1–2 Tage im Kühlschrank in einem geschlossenen Behälter.
Zum Einfrieren eignen sich ausgenommene oder besser filetierte Seezungen in luftdichten Beuteln oder vakuumiert. Sie halten 2–3 Monate. Langsames Auftauen im Kühlschrank wird empfohlen. Das Einfrieren verändert die zarte Textur leicht, jedoch akzeptabel.
Tipps für den Einkauf
Wann immer möglich, frische Seezungen kaufen (nicht tiefgekühlt). Auf Frische achten: fester Körper, klare Augen (bei ganzen Fischen), intakte Haut mit klaren Farben auf der dunklen Seite und weißer Unterseite, sehr feiner Geruch.
Die Art bestimmen: Echte Seezunge ist hochwertiger und teurer. Beim Fischhändler nach Herkunft und Art fragen. Der schwarze Fleck an der Basis der Brustflosse ist ein typisches Merkmal der echten Seezunge (nicht immer sichtbar, wenn bereits gereinigt).
Ideale Größen sind mittelgroß (25–35 cm, 200–400 g): Diese haben das beste Fleisch. Zu kleine Seezungen liefern wenig, zu große können weniger zart sein.
Der hohe Preis (20–50 €/kg für echte Seezunge) spiegelt Qualität und Seltenheit wider. Ist der Preis sehr niedrig, handelt es sich wahrscheinlich nicht um eine echte Seezunge, sondern um weniger hochwertige Arten.
Nährwerte
Seezungen sind extrem mager: 100 g liefern etwa 70–85 Kalorien. Sie enthalten 16–18 g hochwertiges Eiweiß, 1–2 g Fett und keine Kohlenhydrate. Sie sind reich an Vitaminen der B-Gruppe (besonders B12, B3), Vitamin D sowie Mineralstoffen wie Phosphor, Kalium, Selen und Jod.
Sie sind sehr leicht verdaulich und eignen sich für kalorienarme Kost, Genesende, Kinder und ältere Menschen. Das Eiweiß ist vollständig und hochwertig. Der geringe Fettgehalt macht sie ideal für alle, die leichten Fisch bevorzugen.
Wie alle Fische enthalten sie Omega-3-Fettsäuren (weniger als fettreiche Blaue Fische), die für Herz und Gehirn wertvoll sind.
Seezungen in der Tradition
Seezungen galten stets als edler, hochwertiger Fisch für besondere Anlässe. Sie waren (und sind) kein Alltagsfisch, sondern wurden zu Festtagen, wichtigen Mittagessen oder in gehobenen Restaurants serviert.
In der klassischen französischen Küche zählen Seezungen zu den edelsten Fischen und sind Hauptdarsteller elaborierter Gerichte wie „sole meunière“, „filets de sole normande“ oder „sole véronique“ mit Weintrauben. Die sizilianische Küche bevorzugt einfachere, aber ebenso respektvolle Zubereitungen.
Seezungen gelten als besonders bekömmlich und wurden traditionell für Kinder, Kranke oder empfindliche Esser empfohlen, da sie leicht verdaulich sind und keinen starken Geschmack besitzen.
Wissenswertes
Der Name „Seezunge“ kommt vom lateinischen „solea“ („Sohle“, „Schuhsohle“), ein Hinweis auf die ovale, flache Form. Im Sizilianischen verweist „linguata“ auf die zungenartige Gestalt.
Seezungen schlüpfen als symmetrische Fische mit je einem Auge auf jeder Seite. Während ihrer Metamorphose (wenige Wochen nach dem Schlüpfen) wandert ein Auge auf die andere Seite, der Körper flacht ab und der Fisch passt sich an das Leben am Boden an – eine bemerkenswerte Verwandlung.
Seezungen können die Färbung der Oberseite innerhalb weniger Minuten verändern, um sich perfekt dem Untergrund anzupassen. Spezialisierte Zellen (Chromatophoren) steuern diese Pigmentveränderungen und erlauben die Imitation von Sand, Kies oder Schlamm.
In der griechischen Mythologie heißt es, Plattfische seien vom Fuß Poseidons niedergedrückt worden – eine poetische Erklärung für ihre ungewöhnliche Form.
Ein alter Seemannsspruch lautet: „Linguata d’oru, poi du mari“ („Goldene Seezunge, Reichtum des Meeres“) und spielt auf ihren hohen Wert und die goldene Farbe an, die sie beim Garen annimmt.
Seezungen sind langlebige Fische und können über 20 Jahre alt werden. Große Exemplare sind oft sehr alt. Ihr Alter wird an den Otolithen (Gehörsteinchen) bestimmt, die wie Baumringe wachsen.
Die intensive Befischung mit Schleppnetzen ist aus ökologischer Sicht problematisch: Der Meeresboden wird beschädigt und Beifang fällt an. Nachhaltig gefangene Seezungen oder Aquakulturprodukte sind verantwortungsvollere Alternativen.
Im Volksmund bedeutet „flach wie eine Seezunge“ extrem dünn oder schmal zu sein – ein humorvoller Vergleich zur Form des Fisches.