Überblick
Mispeln, im Sizilianischen „nèspuli“ oder „nespuli giapponisi“ genannt (zur Unterscheidung von den einheimischen Arten), sind die Früchte des Japanischen Wollmispelbaums (Eriobotrya japonica), einer ursprünglich aus Ostasien stammenden Art, die im 19. Jahrhundert nach Europa und nach Sizilien gelangte. Die ovalen oder runden, gelb-orangefarbenen Früchte mit süßem, saftigem und aromatischem Fruchtfleisch gehören zu den ersten Früchten des sizilianischen Frühlings: Sie reifen von April bis Juni, wenn die meisten Sommerfrüchte noch nicht verfügbar sind, und werden daher besonders erwartet und geschätzt.
In Sizilien hat sich der Japanische Wollmispelbaum perfekt an das milde Klima angepasst und ist heute in Gärten, Hausgärten und kleinen Obstplantagen weit verbreitet. Traditionell hatte fast jede Familie einen Mispelbaum, der nicht nur köstliche Früchte lieferte, sondern auch dichten Schatten und dekoratives, immergrünes Laub spendete. Frische Mispeln waren eine beliebte Zwischenmahlzeit für Kinder, die oft auf die Bäume kletterten, um die reifsten Früchte zu ernten. Neben dem frischen Verzehr werden sizilianische Mispeln zu aromatischen Marmeladen, Sirupen, Likören und gelegentlich zu Süßspeisen verarbeitet. Die kurze Saison macht sie besonders wertvoll – ein Frühlingsgenuss, den man nur wenige Wochen im Jahr erleben kann.
Merkmale
Mispeln haben eine ovale, birnenförmige oder runde Form und messen 3–5 cm. Die Schale ist dünn, glatt oder leicht pelzig und färbt sich bei voller Reife gelb-orange, manchmal mit rötlichen Nuancen. Sie lässt sich leicht schälen.
Das Fruchtfleisch ist gelb-orange, saftig, weich und bei reifen Früchten fast schmelzend – ähnlich der Aprikose, aber zarter. Im Inneren befinden sich 2–5 große, glänzende braune Samen, die viel Platz einnehmen und nicht essbar sind.
Der Geschmack ist süß mit einer leicht säuerlichen Note, sehr erfrischend und angenehm. Das Aroma ist zart und fruchtig. Unreife Früchte hingegen sind adstringierend und sauer, daher sollten Mispeln nur vollständig reif geerntet und gegessen werden.
Qualitativ hochwertige Mispeln haben eine intensiv gelb-orangefarbene, gleichmäßige Schale, eine leicht nachgiebige Konsistenz (aber nicht weich), ein angenehmes Aroma und keine Druckstellen oder dunklen Flecken.
Japanische Mispeln vs. Deutsche Mispeln
Es ist wichtig, zwischen zwei völlig verschiedenen Arten von Mispeln zu unterscheiden:
Japanische Mispeln (Eriobotrya japonica): Die in Sizilien verbreitete Art, wie in diesem Artikel beschrieben. Sie reifen im Frühjahr (April–Juni), sind gelb-orange, süß und saftig und werden frisch verzehrt. Der Baum ist immergrün und hat große, ledrige Blätter.
Deutsche oder Echte Mispeln (Mespilus germanica): Eine völlig andere Frucht: flach, braun, sie reift im Herbst und muss „verbletteln“ (überreifen), bevor sie essbar ist. In Sizilien sind sie selten und werden als „echte Mispeln“ oder „alte Mispeln“ bezeichnet. Der Geschmack ist sehr speziell, leicht fermentiert, mit weicher Konsistenz.
Wenn in Sizilien von „nespole“ gesprochen wird, sind fast immer die japanischen Mispeln gemeint.
Sorten
Es existieren verschiedene Sorten der Japanischen Mispel, die sich in Größe, Form, Farbe, Geschmack und Reifezeit unterscheiden.
Sorten mit hellem Fruchtfleisch
Sie haben blassgelbes Fruchtfleisch, sind besonders süß und zart und gelten als die feinsten Sorten für den frischen Verzehr. Reifezeit: April–Mai.
Sorten mit orangem Fruchtfleisch
Sie besitzen intensiver orangefarbenes Fruchtfleisch, einen leicht säuerlichen, aromatischen Geschmack und eignen sich gut sowohl zum Frischessen als auch für die Weiterverarbeitung. Reifezeit: Mai–Juni.
Frühreifende Sorten
Sorten, die bereits im März–April reifen und wegen ihrer frühen Verfügbarkeit sehr geschätzt sind. Oft etwas kleiner, aber aromatisch.
Spät reifende Sorten
Sorten, die im Juni reifen und die Saison verlängern. Häufig größer und besonders süß.
Anbau in Sizilien
Der Japanische Wollmispelbaum ist in Sizilien vollkommen verwildert und gedeiht dort mühelos. Er bevorzugt mildes Klima, sonnige bis halbschattige Standorte und gut durchlässige Böden. Der Baum ist robust und pflegeleicht.
Er erreicht 4–6 Meter Höhe, bildet eine dichte Krone aus großen, immergrünen, ledrigen Blättern und hat hohen Zierwert. Die Blüte erfolgt ungewöhnlicherweise im Herbst und Winter (Oktober–Januar): duftende weiße Blüten in Rispen. Die Früchte entwickeln sich im Winter und reifen im Frühjahr.
Der Ertrag beginnt etwa 3–4 Jahre nach der Pflanzung und bleibt über Jahrzehnte hoch. Ein ausgewachsener Baum kann viele Kilogramm Früchte tragen. In Sizilien wird er vor allem in Hausgärten und kleinen Obstgärten kultiviert.
Die Ernte erfolgt von Hand. Mispeln werden durch leichtes Drehen vom Stiel gelöst. Sie reifen nach der Ernte nicht nach; daher müssen sie im perfekten Reifezustand geerntet werden.
Saisonalität
In Sizilien reifen Mispeln von April bis Juni, mit Höhepunkt im Mai. Die Saison ist kurz – etwa 6–8 Wochen – und die Früchte gehören zu den ersten des Frühjahrs.
Da sich auf demselben Baum Früchte in verschiedenen Reifestadien befinden, kann über mehrere Wochen geerntet werden. Früh- und Spätsorten verlängern die Saison leicht.
Verwendung in der Küche
Mispeln werden auf verschiedene Arten genutzt, wobei der frische Verzehr am beliebtesten ist.
Frischverzehr
Am traditionellsten: Die Schale lässt sich leicht mit den Fingern abziehen, der Fruchtkörper wird geöffnet und die Samen entfernt. Das saftige Fruchtfleisch wird pur gegessen – ideal als leichte Zwischenmahlzeit oder erfrischendes Dessert.
Mispelmarmelade
Goldorange, süß und duftend, mit weicher Konsistenz. Sie eignet sich für Frühstück, Gebäck und Kuchen. Die Zubereitung erfolgt durch Schälen, Entkernen und Kochen mit Zucker und Zitrone.
Mispelsirup
Aus dem gekochten Saft wird ein duftender Sirup hergestellt, ideal für Getränke, Granita oder zum Tränken von Kuchen.
Mispellikör
Hausgemachter Likör aus reifen Mispeln, die in Alkohol und Zucker mazerieren. Ein beliebtes aromatisches Digestiv.
Mispeln in Sirup
Mispeln lassen sich schälen, entkernen, kurz blanchieren und in Zuckersirup einlegen. Sie halten mehrere Monate.
Kuchen und Gebäck
Frische Mispeln oder Mispelmarmelade bereichern Kuchen, Tartes und Rührkuchen durch Süße und Farbe.
Obstsalate
In Stücke geschnitten passen sie hervorragend zu Frühlingsobst wie Erdbeeren, Kirschen oder Kiwi.
Zubereitung
Mispeln werden vor dem Verzehr gewaschen. Für den Frischverzehr zieht man die Schale per Hand oder mit einem Messer ab, öffnet die Frucht und entfernt die Samen. Das Fruchtfleisch wird pur oder in Stücken gegessen.
Für gekochte Zubereitungen (Marmelade, Sirup) werden die Mispeln geschält, halbiert und entkernt. Die Samen sind ungenießbar und leicht giftig. Das Fruchtfleisch oxidiert schnell und wird braun; daher sollte es sofort verwendet oder in Zitronenwasser gelegt werden.
Aufbewahrung
Reife Mispeln sind empfindlich und halten im Kühlschrank 3–5 Tage. Sie sollten locker in einem Behälter liegen und nicht gequetscht werden. Bei Zimmertemperatur halten sie 1–2 Tage.
Sie reifen nach der Ernte nicht nach – unreife Früchte bleiben hart und sauer. Daher ist der Reifegrad beim Kauf entscheidend.
Für den Frischverzehr eignen sie sich nicht zum Einfrieren, da die Konsistenz leidet. Als Püree oder in verarbeiteten Formen können sie eingefroren werden.
Einkaufstipps
Mispeln sind selten im Supermarkt erhältlich, da sie druckempfindlich sind und eine kurze Saison haben. Sie werden eher auf Wochenmärkten, beim Obsthändler oder direkt vom Erzeuger verkauft.
Beim Kauf sollten die Früchte intensiv gelb-orange sein, ohne grüne Stellen, mit intakter Schale und leicht nachgiebiger Konsistenz. Der Duft sollte fruchtig sein.
Zu vermeiden sind Früchte mit dunklen Flecken, Runzeln, grünen Stellen oder zu weicher Konsistenz. Sie sollten innerhalb weniger Tage verzehrt werden.
Nährwerte
Mispeln sind kalorienarm: 100 g liefern etwa 45–50 kcal. Sie bestehen zu 85 % aus Wasser und enthalten rund 12 g Kohlenhydrate, hauptsächlich einfache Zucker, sehr wenig Protein und kaum Fett.
Sie sind reich an Vitamin A (Beta-Carotin), Vitamin C, Kalium und Ballaststoffen. Die enthaltenen Carotinoide und Polyphenole wirken antioxidativ.
Mispeln haben erfrischende, leicht harntreibende und mild abführende Eigenschaften – traditionell galten sie als hilfreich für Verdauung und Harnwege. Aus den Blättern wurden in Sizilien Aufgüsse für Atemwegsbeschwerden zubereitet.
Der Mispelbaum in der sizilianischen Tradition
Der Japanische Wollmispelbaum hat sich in Sizilien vollständig in Landschaft und Alltag integriert. In vielen traditionellen Gärten war er wegen seines Schattens, seines immergrünen Laubs und seiner frühen Früchte hoch geschätzt.
Für Kinder war das Ernten der Mispeln ein kleines Abenteuer, oft verbunden mit Klettern und klebrigen Fingern. Großmütter bereiteten Marmelade zu, deren Duft das Haus erfüllte.
Die winterliche Blüte ist besonders wertvoll für Bienen, die daraus einen zarten Honig erzeugen – ein wichtiger Nektar in einer Jahreszeit, in der kaum andere Pflanzen blühen.
Kurioses
Der Baum stammt ursprünglich nicht aus Japan, sondern aus China, wo er seit über tausend Jahren kultiviert wird. In China heißt er „pipa“, nach dem gleichnamigen Musikinstrument, dessen Form die Früchte ähneln.
Ein altes sizilianisches Sprichwort sagt: „Wenn es Mispeln gibt, kommen die schönen Zeiten“ – ein Hinweis auf den Beginn des Frühlings.
Man glaubte früher, dass der übermäßige Verzehr von Mispeln Magen-Darm-Beschwerden verursachen könne – moderater Genuss ist völlig unproblematisch.
Die großen, ledrigen Blätter wurden traditionell zum Einwickeln frischer Käse oder als Unterlage für Süßspeisen genutzt.
Während des Zweiten Weltkriegs waren Mispeln eine kostenlose, wertvolle Nahrungsquelle im Frühjahr für viele Familien.
Einige ältere Sizilianer erzählen von „Expeditionen“ in verlassene Gärten, um Mispeln von verwilderten Bäumen zu pflücken.
Heute setzen einige landwirtschaftliche Betriebe auf hochwertige Mispelsorten für eine kurze, aber wertvolle Saisonproduktion – ein Nischenprodukt mit wachsender Nachfrage.
Das harte Holz des Mispelbaums wurde früher für Werkzeugstiele, Stöcke und kleine Holzarbeiten verwendet.