Überblick
Johannisbrot, auf Sizilien „carrubbi“ oder „sciusceddi“ genannt, sind die Früchte des Johannisbrotbaums (Ceratonia siliqua), eines immergrünen Baumes, der den mediterranen Landschaften ihren typischen Charakter verleiht und besonders häufig in Sizilien vorkommt. Diese dunklen, länglichen und abgeflachten Schoten mit ihrem süßen, aromatischen Fruchtfleisch sind ein traditionelles Element der sizilianischen Küche – frisch als natürlicher Snack oder zu Mehl verarbeitet, das vielseitige Anwendungen in der Patisserie und Gastronomie findet.
In der sizilianischen Tradition spielten Johannisbrotfrüchte stets eine bedeutende Rolle – nicht nur als Nahrungsmittel, sondern auch als wirtschaftliche Ressource. Der Anbau war besonders in Küsten- und Hügellagen verbreitet, wo jahrhundertealte Bäume eindrucksvolle Landschaften prägen und Tieren Schatten und Schutz bieten. Die gastronomische Wiederentdeckung dieser alten Frucht bringt das Johannisbrot heute mit modernen Interpretationen zurück auf die sizilianischen Tische, wo seine Nährwerte und sein einzigartiger Geschmack neu geschätzt werden.
Merkmale
Johannisbrot zeigt sich in langen, leicht gebogenen Schoten, die bei Reife dunkelbraun werden und zwischen 10 und 30 Zentimeter lang sowie etwa 2–3 Zentimeter breit sind. Die reifen Früchte sind außen hart und lederartig, während das Innere aus süßem, bräunlich-rötlichem, zähflüssigem und intensiv aromatischem Fruchtfleisch besteht, das die harten, glänzenden Samen umhüllt.
Der Geschmack ist süß und sehr zuckerreich, mit Noten von Karamell, Datteln und Melasse, leicht adstringierend und mit einem Hauch von Schokolade im Nachgeschmack. Der Duft ist typisch, süß und leicht weinartig. Frische Schoten sind wachsig und aufgrund ihrer Härte schwer zu kauen, während das innere Fruchtfleisch weich und ausgesprochen süß ist.
Johannisbrotmehl, das durch Mahlen des getrockneten Fruchtfleisches gewonnen wird, ist ein feines, hellbraunes Pulver mit süßem Aroma, das an Kakao erinnert, jedoch deutlich karamelliger ist.
Saison
In Sizilien reift das Johannisbrot zwischen August und Oktober. In diesen Monaten färben sich die Schoten von Grün zu Dunkelbraun – ein Zeichen voller Reife und maximaler Süße. Die traditionelle Ernte erfolgt, indem man die Bäume mit langen Stangen schüttelt und die herabfallenden Früchte auf ausgebreitete Tücher sammelt.
Einmal in der Sonne getrocknet, können Johannisbrotfrüchte monatelang gelagert und das ganze Jahr über verwendet werden. Johannisbrotmehl ist jederzeit erhältlich, da es aus getrockneten und konservierten Früchten hergestellt wird.
Traditionelle Verwendung
In der traditionellen sizilianischen Küche hatten Johannisbrotfrüchte vielfältige Einsatzmöglichkeiten.
Natürlicher Snack
Früher wurden frische Schoten von Kindern als süßer, natürlicher Snack gegessen. Man brach sie mit den Zähnen auf, um das süße Fruchtfleisch herauszusaugen – ein einfaches, nahrhaftes Vergnügen für alle, die am Land aufwuchsen.
Tierfutter
Traditionell dienten Johannisbrotfrüchte vor allem als Futter für Tiere wie Pferde, Maultiere und Vieh. Ihr Nährwert machte sie zu einer wertvollen Ressource, besonders in Zeiten knapper Futtermittel.
Schokoladenersatz
Während Kriegs- und Notzeiten wurde Johannisbrotmehl als Ersatz für Kakao verwendet, um süße Heißgetränke zuzubereiten – obwohl der Geschmack deutlich anders ist.
Moderne Verwendung in der Küche
Heute erleben Johannisbrot und Johannisbrotmehl eine gastronomische Renaissance.
Mehl für Süßspeisen
Johannisbrotmehl wird für Kekse, Kuchen, Cremes und verschiedene Desserts verwendet. Es hat eine natürliche Süßkraft, sodass weniger Zucker benötigt wird, und ist von Natur aus glutenfrei – ideal für Menschen mit Zöliakie.
Getränke
In heißer Milch aufgelöst ergibt Johannisbrotmehl ein süßes, nahrhaftes Getränk, das eine Alternative zu Kakao darstellt. In Sizilien wird außerdem ein traditioneller Likör aus Johannisbrot hergestellt – aromatisch, mild und angenehm süß.
Johannisbrot-Sirup
Aus dem Fruchtfleisch wird ein dichter, sehr süßer Sirup gewonnen, der zum natürlichen Süßen dient oder in Wasser verdünnt als erfrischendes Getränk getrunken wird. Er ist besonders im Sommer beliebt.
Backwaren
Johannisbrotmehl wird Broten und Backwaren zugesetzt, um ihnen eine dunkle Farbe, eine süßliche Note und einen höheren Nährwert zu verleihen.
Herstellung des Mehls
Zur Herstellung von Johannisbrotmehl werden die Schoten vollständig in der Sonne getrocknet, die extrem harten Samen entfernt und das verbleibende Fruchtfleisch fein vermahlen. Traditionell dauerte die Trocknung mehrere Tage unter der sizilianischen Sonne, gefolgt von der Vermahlung zwischen schweren Mühlsteinen.
Heute ist das Mehl industriell erhältlich, doch einige sizilianische Manufakturen stellen es weiterhin nach traditionellen Methoden her und erzeugen so ein besonders hochwertiges Produkt.
Aufbewahrung
Getrocknete Johannisbrotfrüchte halten sich monatelang an einem kühlen, trockenen Ort, geschützt vor Feuchtigkeit. Bei guter Lagerung sind sie nahezu unbegrenzt haltbar.
Johannisbrotmehl sollte in luftdichten Behältern aufbewahrt werden, geschützt vor Licht, Wärme und Feuchtigkeit. Es hält sich 6–12 Monate, kann aber mit der Zeit an Aroma verlieren. Feuchtigkeit führt zu Klumpenbildung und sollte unbedingt vermieden werden.
Nährwerte
Johannisbrot ist nahrhaft und reich an natürlichen Zuckern (40–50 % des Gewichts), hauptsächlich Saccharose, Glukose und Fruktose. Getrocknetes Fruchtfleisch liefert etwa 200–250 Kalorien pro 100 Gramm.
Es enthält etwa 40 % Ballaststoffe, die die Darmtätigkeit fördern und präbiotisch wirken. Auch wichtige Mineralstoffe wie Kalzium, Eisen, Magnesium und Kalium sind enthalten, ebenso Vitamine der B-Gruppe und Vitamin E.
Im Gegensatz zu Kakao enthält Johannisbrot weder Koffein noch Theobromin und eignet sich daher auch für empfindliche Personen. Die enthaltenen Tannine wirken adstringierend und antioxidativ. In der sizilianischen Volksmedizin wurde Johannisbrotmehl häufig zur Linderung von Darmbeschwerden eingesetzt, insbesondere bei Durchfall.
Einkaufstipps
Ganze Schoten sollten gleichmäßig dunkelbraun, gut getrocknet und frei von Schimmel oder Flecken sein. Sie müssen hart sein, aber nicht so trocken, dass sie zerbröseln. Der Duft sollte süß und angenehm sein.
Johannisbrotmehl sollte hellbraun, fein und homogen sein, mit einem süßen, angenehmen Aroma. Auf das Haltbarkeitsdatum achten und bevorzugt sizilianische Produkte wählen, idealerweise aus biologischem Anbau.
Wissenswertes
Der Begriff „Karat“, die Maßeinheit für Edelsteine, stammt von den Johannisbrotsamen, deren Gewicht bemerkenswert konstant ist (ca. 200 Milligramm). Sie dienten in der Antike als Referenzgewicht für Gold und Edelsteine.
In Sizilien sagt man: „Cu havi un carrubbu, havi un tesoru“ – „Wer einen Johannisbrotbaum hat, besitzt einen Schatz“, was den wirtschaftlichen Wert dieser Bäume betont.
Während des Zweiten Weltkriegs, als Zucker und Schokolade knapp waren, bereiteten die Familien ein heißes Getränk aus Johannisbrotmehl, Milch und etwas Zimt zu, die „ciucculatta di puvireḍḍi“ – die „Schokolade der Armen“ –, die an kalten Winterabenden wärmte und sättigte.
Sizilianische Johannisbrotbäume können mehrere Jahrhunderte alt werden. Einige monumentale Exemplare sind über 500 Jahre alt und werden als Sinnbilder für Beständigkeit und Stärke verehrt.
In Modica, der Stadt des kalt verarbeiteten Schokoladenhandwerks, experimentieren einige Chocolatiers damit, Johannisbrotmehl in die Herstellung des Modica-Schokoladen einzubeziehen und so Tafeln mit einzigartigem Geschmack zu schaffen, die zwei sizilianische Spezialitäten vereinen.