Zwischen Bergdörfern und Olivenhainen
Die Straße windet sich durch die sanften Höhenzüge der Monti Iblei, vorbei an steinernen Trockenmauern und knorrigen Oliven, deren silbrige Blätter im milden Herbstlicht schimmern. Buccheri, Chiaramonte Gulfi, Monterosso Almo – Namen, die klingen wie leise Versprechen einer Landschaft, die seit Jahrhunderten vom Rhythmus der Landwirtschaft geprägt ist. Hier, im Herzen des ragusanischen Hinterlands, besuche ich einen kleinen Frantoio, verborgen zwischen Hügeln, die nach wildem Oregano und warmem Staub duften.
Ein Freund aus der Region begleitet mich. „Du wirst den Sig. Giuseppe mögen“, sagt er, als wir durch das offene Tor des Betriebs treten. „Er ist einer von denen, die noch mit dem Herz arbeiten.“ Tatsächlich empfängt uns ein Mann mit ruhigem Blick und kräftigen Händen – Hände, die wissen, wie man einen Lebensbaum pflegt.
Ein Erntejahr, das Hoffnung macht
In der großen Halle des Frantoio herrscht geschäftige Ruhe. Zwischen Netzen und grün schimmernden Kunststoffkisten liegen frisch geerntete Oliven – makellos, rund und fest, als wären sie sorgsam poliert worden. Der Duft ist intensiv: eine Mischung aus Gras, Mandeln und einem Hauch Tomatenblatt.
„Dieses Jahr ist ein Geschenk“, sagt der Sig. Giuseppe, während er eine Handvoll Tonda Iblea durch die Finger gleiten lässt. Die lokale Kultivar ist das Herzstück der Region – eine Sorte, die ein Öl hervorbringt, das für seine aromatische Komplexität berühmt ist: grüne Tomate, frische Kräuter, ein zarter Hauch Artischocke. „Die Bäume waren gesund, keine Parasiten, keine großen Temperatursprünge. Das merkt man sofort. Die Qualität liegt deutlich über der vom letzten Jahr.“
Die Kunst des richtigen Moments
Wir folgen ihm zu den Sortieranlagen, wo ein moderner Deramifogliatore die Blätter heraussiebt und nur die reinen Früchte zur Verarbeitung weiterreicht. „Mehr braucht man gar nicht“, erklärt er. „Nicht viele Sorten, nicht viel Technik – nur perfekte Früchte im perfekten Moment.“
Er deutet auf den Strom glänzender Oliven, die beinahe makellos zur Mühle gleiten. „Wenn man die Blätter entfernt und die Oliven sauber hält, erreicht man eine Reinheit von bis zu 99 Prozent. Das ist die Basis.“
Doch dann legt er die Hand auf die Maschine, fast wie auf die Schulter eines alten Freundes. „Aber die Technik allein macht noch kein gutes Öl. Man braucht einen Frantoiano, der die Maschinen versteht. Der weiß, wie die Olive heute riecht, wie sie sich anfühlt. Der die Zeiten anpasst, die Temperaturen, die Extraktion.“ Seine Stimme wird leiser, voller Stolz. „Das ist ein Handwerk.“
Moderne Innovation, traditionelle Seele
Der Frantoio ist mit zeitgemäßer Technik ausgestattet: zweieinhalbphasige Zentrifugalextraktion, kalte Verarbeitung, abschließende Klärung im Separator. Alles darauf ausgelegt, die flüchtigen Aromen zu bewahren und ein Öl zu produzieren, das sauber, stabil und reich an Polyphenolen ist.
„Früher hatten wir viel mehr Verluste“, erzählt Sig. Giuseppe. „Heute können wir präziser arbeiten. Aber eines hat sich nicht geändert: Die Oliven müssen schnell verarbeitet werden. Am besten innerhalb weniger Stunden. Nur wenige Produzenten wissen, wie entscheidend das ist.“
Die Frage der Ausbeute – und der wahre Wert des Öls
Die besten Olivenöle entstehen nicht aus hohen Erträgen, sondern aus der perfekten Harmonie zwischen Frucht und Handwerk. „Die Ausbeute hängt von der Sorte ab“, erklärt er. „Die Tonda Iblea gibt nicht immer viel, aber was sie gibt, ist einzigartig.“
Er erzählt von Böden, die sich von Hang zu Hang verändern, von der Bedeutung der Höhenlage, der Sonneneinstrahlung, der Windverhältnisse. „Am Ende zählt aber nur eines: der Geschmack. Alles andere ist Statistik.“
Der magische Moment des ersten Öls
Wir stehen vor dem Separator, als der erste Strahl des neuen Öls in einen Edelstahlbehälter fließt – dickflüssig, leuchtend grün, fast fluoreszierend. Ein Duft steigt auf, der die ganze Halle erfüllt: frisch, lebendig, scharf wie junge Kräuter.
Der Sig. Giuseppe lächelt. „Dieser Moment“, sagt er und deutet auf das fließende Gold, „ist jedes Jahr wieder bewegend. Das ist das Ergebnis von Monaten auf dem Feld, von den frühen Morgenstunden während der Ernte, von langen Tagen hier im Frantoio.“
Es ist die Essenz eines Handwerks, das tief in der Identität der Monti Iblei verankert ist – und das sich dennoch immer wieder erneuert, ohne seine Wurzeln zu verlieren.
Eine glückliche Saison für die Monti Iblei
Als wir den Frantoio verlassen, färbt die späte Nachmittagssonne die Hügel in warmes Gold. Das Jahr war großzügig, die Ernte reich, die Qualität beeindruckend. Und man spürt, dass hinter jeder Flasche Öl aus dieser Region nicht nur ein Produkt steht, sondern ein Stück Landschaft, ein Hauch Geschichte, und vor allem die Hände der Menschen, die hier leben und arbeiten.
Der Sig. Giuseppe verabschiedet sich mit einem kräftigen Händedruck. „Kommen Sie wieder, wenn alles abgefüllt ist“, sagt er. „Dann schmeckt man die ganze Wahrheit dieses Jahres.“
Die Monti Iblei – ein Landstrich, der zeigt, dass wahre Exzellenz nicht laut auftritt, sondern aus dem tiefen Verständnis für Natur, Zeit und Hingabe entsteht.
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