Ein Wiedersehen mit Sizilien – und ein Fest, das nach Heimat schmeckt
Es begann mit einer Einladung von Freunden aus Sizilien, die inzwischen in Düsseldorf leben. Schon lange erzählten sie von „ihrem“ Fest, der Sagra della ’Mpanata e dei Piruna in Niscemi – einem Ort, der tief in ihrer Erinnerung verwurzelt ist. In diesem Jahr folgte ich endlich ihrem Ruf und fand mich für vier Tage in einem der authentischsten Winkel der Insel wieder, umgeben von Wärme, Gelächter und dem unverwechselbaren Duft frisch gebackener sizilianischer Spezialitäten.
Die Sagra, inmitten dieses lebendigen Städtchens in der Provinz Caltanissetta, ist weit mehr als ein kulinarisches Ereignis. Sie ist ein soziales Ritual, ein jährliches Heimkommen, eine Feier der Erde und ihrer Früchte. Und für mich war sie ein wunderbares Eintauchen in eine Tradition, die man nicht nur sieht oder schmeckt, sondern tief spürt.
Die Kunst der ’Mpanata – eine Hommage an die Erde
In Niscemi spricht man nicht einfach von Impanate. Hier heißen sie ’Mpanate, und im lokalen Dialekt wird das Gericht zu einem Stück Identität. Diese länglichen, zart knusprigen Teigtaschen sind traditionell mit Cavolfiore gefüllt – mit jenen kräftigen, aromatischen Blumenkohlsorten, die auf den Feldern rund um die Stadt gedeihen. Zusammen mit Zwiebeln, einer Spur Petersilie und einer hauchdünnen, von Hand gezogenen Teigschicht verwandelt sich das Gemüse im Ofen zu einer warmen, leicht süßlichen und erdigen Köstlichkeit.
Es ist bemerkenswert: Die Zutaten sind roh, wenn sie in die Teigtasche wandern. Erst im Ofen verbinden sich Aromen und Texturen, als würden Gemüse und Teig gemeinsam ihren finalen Charakter entwickeln. Früher galten die ’Mpanate als Gericht der einfachen Leute: günstig, sättigend, mit Produkten aus eigenem Anbau zubereitet. Heute sind sie ein Symbol für die bäuerliche Seele der Region – und ein stolzer Bestandteil des lokalen Selbstverständnisses.
Piruna – kleine Calzoni voller Persönlichkeit
Neben den ’Mpanate sind es vor allem die Piruna, die während der Sagra glänzen. Ihre Form ist rundlicher, ihre Enden kunstvoll verschlossen, und ihr Inneres birgt eine Mischung aus frischen Spinatblättern, gewürzt mit Knoblauch, Salz und einem Hauch schwarzem Pfeffer. Beim ersten Biss verströmt diese Füllung eine warme, grüne, fast seidige Note, die wunderbar mit der feinen Knusprigkeit des Teigs kontrastiert.
Auch bei den Piruna erzählt man mir, dass die Zutaten roh in die Teigtaschen kommen – eine Methode, die nicht nur Zeit spart, sondern den Gemüsearomen erlaubt, im Ofen ihre volle Intensität zu entfalten. Dass beide Gerichte historisch vor allem zwischen Weihnachten und Neujahr zubereitet wurden, überrascht mich nicht: Sie sind nahrhaft, gesellig und perfekt geeignet, um in größerer Runde geteilt zu werden.
Heute werden ’Mpanate und Piruna von Dezember bis in den April gebacken – immer dann, wenn der lokale Blumenkohl seine Saison hat. Es fühlt sich an, als hätte die Landwirtschaft selbst den Rhythmus dieses Festes mitgeschrieben.
Vier Tage voller Begegnungen, Musik und sizilianischer Herzlichkeit
Während meines Aufenthalts erlebe ich die Sagra als ein Fest, das die ganze Stadt in Bewegung versetzt. Kinder rennen zwischen den Ständen hindurch, wo ältere Frauen geduldig den Teig falten; Männer tragen stolz traditionelle Karren, kunstvoll bemalt, die Geschichten von Rittern und Heiligen erzählen; Musiker lassen die Plätze unter dem klaren Abendhimmel erklingen.
Eine der schönsten Erinnerungen bleibt ein Gespräch mit einer älteren Signora, die mir erklärte, dass die Kunst der ’Mpanata nicht nur in den Händen liege, sondern im Herzen. „Cu ci mendi amore,“ sagte sie und legte eine Hand auf die Brust, „si senti.“ Man schmeckt, wenn jemand Liebe hineinlegt.
Und genau das ist vielleicht der Zauber dieses Festes: Jede Teigtasche ist mehr als ein Gericht. Sie ist ein kleines, warmes Stück Sizilien, getragen von Traditionen, die seit Generationen bewahrt werden – und von Menschen, die ihre Kultur mit einer Großzügigkeit teilen, die man noch lange im Gedächtnis behält.
Ein Abschied, der ein Versprechen birgt
Als ich Niscemi nach vier intensiven, geschmackvollen Tagen wieder verlasse, habe ich das Gefühl, ein Stück dieser Stadt bei mir zu tragen: den Duft von frisch gebackenem Teig, die Stimmen der Händler, das Lachen meiner Freunde, die Freude der Familien, die gemeinsam feiern.
Die Sagra della ’Mpanata e dei Piruna ist kein Fest, das man nur besucht. Es ist ein Fest, das einen aufnimmt. Und das einen – vielleicht unwiderruflich – dazu bringt, wiederzukehren.